From: susanne gerber
Date: January 29, 2008 10:52:08 PM GMT+01:00
To: rohrpost mailingliste
Subject: Medienkunst gibt es nicht / Einladung
On Jan 29, 2008, at 10:14 AM, Caspar Clemens Mierau wrote
...Es gibt keine Nichtvermittlung....bei jeglicher Herstellung von Bildern werden "Medien" benutzt - und doch hat sich die Bilder- und Vorstellungswelt mit dem Aufkommen der fotografischen Medien radikal verändert und ein weiteres mal, noch radikaler, mit dem massenhaften Einsatz digitaler Medien.
Deshalb möchte ich gerne ein paar Unterschiede betonen und einige neue(alte) Begriffe ins Gespräch bringen, die qualitative Unterschiede im Herstellungsprozess, der Verbreitung und Rezeption von Bildern und Kunstwerken berücksichtigen.
Es gab und gibt handwerklich, materielle Artefakte, die Unikate sind: Gemälde, Zeichnungen, Skulpturen und andere gegenständliche Werke der bildenden Kunst (Kollagen, Installationen). Die Kunst des Unikats hat eine lange Geschichte, wird aber auch gegenwärtig ausgeübt und weiterentwickelt und hat in Kunstwelt und Kunstbetrieb weiterhin hohes Ansehen und hohen Sammlerwert.
Die Erfindung der Fotografie und des Films versetzte Bildproduzenten und auch Künstler in die Lage Filme und Bilder, mit Hilfe eines chemischen Prozesses, in kurzer Zeit und mehrfacher Ausfertigung herzustellen. Für die Besitzer einen Fotoapparates blieb die Anzahl der Fotografien begrenzt. Die massenhafte Verbreitung von Bildern geschah durch Presse, TV und Filmindustrie (Massenmedien). Die Kontrolle über die Bilder wird zu einer politischen Macht. Im Feld der analogen Fotografie und des analogen Films entsteht limitierte Kunst. Sie kann sich zunehmend auf dem Kunstmarkt behaupten.
Mit Hilfe des Computers war es möglich eine Bilderwelt und Bilderflut rechnerisch, digital zu simulieren und damit alle bisherigen Bildmedien zu transformieren und zu reproduzieren. Der Vielfalt, Menge, Schnelligkeit und Verfügbarkeit von Bildern jeglicher Art sind keine Genzen mehr gesetzt.
Die Kunst, die nur unter Einsatz digitaler Technologie denkbar ist, und die diese Technologie auch reflektiert, wurde erst Computerkunst genannt und mit dem Einsatz der Möglichkeiten des Internets, dann auch Netzkunst. Die digitale Fotografie und der digitale Film gehören aber auch hierher. Der Begriff digitale Kunst (vielleicht auch unlimitierte Kunst ?) liefert eine übergreifende Bezeichnung. Die Debatten zu geistigem Eigentum, Copyright und Digital Rights Management zeigen, dass der digitale, vernetzte Raum eigene Koordinaten hat. Marktmechanismen sind hier zunächst nicht wirksam. So ist auch das mangelnde Interesse des Kunstmarktes nicht weiter verwunderlich.
In diesem Kontext
Einladung zur Veranstaltung "rotes quadrat"
am Samstag 2. Februar um 20.00 Uhr
im New Thinking Store, Tucholskystrasse 48, 10117 Berlin
Im Jahr 2000 wurde ein Computerspiel mit dem Namen "rotes quadrat" geschrieben.
Es bezieht sich auf den russischen Maler Kasimir Malewitsch, der 1913 mit seinem Gemälde "Das schwarze Quadrat" den Endpunkt der gegenständlichen Malerei setzt. Tatsächlich hat das neue Bildmedium Fotografie viele bisherige Funktionen der Malerei abgelöst und die Malerei fällt auf sich selbst zurück.
Andererseits kommentiert das Computerspiel "rotes quadrat" den historischen Zeitpunkt zu dem sich der Kunst neue Perspektiven im digitalen Raum eröffnen. Im Spiel können Millionen von Kompositionsmöglichkeiten innerhalb eines roten Quadrates mit und gegen den Zufall spielerisch erfahren werden. Damit reflektiert es die endlosen Möglichkeiten digitaler Konstruktion und Dekonstruktion.
Der Abend soll Gelegenheit bieten, anhand des Spieles, ein möglichst weiterführendes Gespräch zu beginnen über diese beiden historischen Punkte in der Kunstgeschichte und der Entwicklung der Medien.
Bring your computers. You might like the game.
Susanne Gerber, Künstlerin, Berlin